Micha Mäkle bestimmt die Klangkulisse von Räumen
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Wie klingt Boden?

Ein Interview mit Micha Mäckle

"Ich wollte eine Möglichkeit finden, dass man bei dem Ton, der von einem Objekt lokal emittiert wird, sieht, woher dieser kommt. Sprich, der spielende Musiker sollte leuchten.“

Er wollte mit diesem Gerät Schall auf eine neue Art und Weise sichtbar darstellen.

Micha Mäckle über sich, seine Ideen und die Umsetzung der Bachelorarbeit.

Ein Samstagvormittag

in einem Café in der Nähe vom Stuttgarter Eugensplatz. Der typische Brunch-Soundtrack füllt den Raum. Die Teller werden mit Frühstücksköstlichkeiten beladen, Tischgespräche, Geschirr klappert. Micha Mäckle betritt den Raum. Smart, lässig, jung, jünger wirkend als die 30, die er zählt. Kein Strebertyp, kein Nerdtyp, wie man vielleicht vermuten könnte, hat man den Titel seiner Bachelorarbeit im Kopf: "Entwicklung eines akustisch/interaktiven Visualisierungssystems". Die Augen scannen hellwach den Laden, wohl sein Stammcafé. Die Bedienung fragt ihn, ob er den Kaffee gerne "wie immer" hätte. "Ja, vielen Dank."

Seit Micha Mäkle im Sommer 2016 den Studiengang Audiovisuelle Medien an der Stuttgarter Hochschule für Medien (HdM) abgeschlossen hat, sei er nur noch am Wochenende in Stuttgart. Der gebürtige Böblinger hat nach dem Studium eine Stelle angenommen bei einer Messebaufirma auf der Schwäbischen Alb. Messebau auch deswegen, weil es seinen Ausbildungsberuf (Industriemechaniker bei Mahle) und die "Skills vom Studium" vereine. "Der Messebau schafft eine Grätsche zwischen meinem alten Job und dem Medialen, was ich neu an der Hochschule gelernt habe." Abwechslungsreich, faszinierend und spannend, beschreibt er weiter seinen Beruf. "Das ist manchmal unglaublich, da werden im Prinzip ganze Häuser gebaut - oft nur für drei Tage!"

Micha Mäckle ist einer, das wird schnell klar, der die Herausforderung sucht und nicht den leichtesten Weg nimmt, egal ob im Berufs- oder im Privatleben. Da fährt man schon mal mit den Kumpels auf dem Rennrad von Stuttgart zum Gardasee, jeder Alpenpass ein kleiner Sieg bis zum großen Ziel. Machen, herantasten, kreative Lösungen für unerwartete Probleme finden, Ausdauer haben – das ist genau sein Ding.

Gerade diese Eigenschaften kamen ihm bei seiner dreimonatigen Bachelorarbeit zugute, für die er ständig zwischen Stuttgart und Berlin gependelt ist. Berlin deswegen, weil dort die gfai tech GmbH, ein Ableger des GFaI Instituts (Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik Berlin), im Besitz einer sogenannten akustischen Kamera ist, einem sündhaft teuren Mikrofonarray, angeordnet um unterschiedliche Carbon-Konstruktionen. Micha Mäckles großes Vorhaben: Er wollte mit diesem Gerät Schall auf eine neue Art und Weise sichtbar darstellen.

Die gfai tech-Mitarbeiter gaben dem Bachelor-Anwärter einen Einführungskurs am Gerät und dann war er in einem Besprechungsraum des Instituts auf sich alleine gestellt. „Das war ein peu-à-peu-Projekt, bei dem ich oft gemerkt habe, da komme ich nicht weiter, ich muss umplanen. Das war für eine Bachelorarbeit ziemlich riskant, auch weil es völlig schief gehen konnte.“

Auch wenn Micha Mäckle im Laufe des Experiments immer wieder auf neue Probleme stieß, er musste u.a. Teile der Software selbst neu programmieren, um das gewünschte Bild der beiden Musiker zu generieren, kam er letzten Endes zu einem erfolgreichen, positiven Ergebnis. „Es gibt nun ein System, das Musiker visuell darstellen kann und das als Prototyp funktioniert.“ In einem Videozusammenschnitt auf der Videoplattform Vimeo sieht der Betrachter klar und deutlich, wie bei zunehmender Spielintensität sich das Bild um die Musiker verändert.

Als Musiker entschied er sich für einen Synthesizer-Spieler und eine Klarinettistin, ein improvisations-freudiges Pärchen. Micha hat für das Video aus drei 15-Minuten-Sets einen Track zusammengeschnitten.

Der Synthesizer war dabei nur der rhythmische Bodensatz. Interessant für das Experiment war die Klarinette aufgrund der Schallaustritte an ihren verschiedenen Löchern. „Das heißt, man sieht auch eine Veränderung am Instrument. Bei der Gitarre hat man zum Beispiel nur ein Schallaustrittsloch und das würde immer leuchten. Bei der Klarinette verändert sich ständig was, je nachdem, wie man spielt.“

Sein eigens entwickeltes System lässt sich zwar nicht ohne weiteres z.B. auf Konzert-Säle anwenden, aber die Theorie, dass sich Musiker auf einer weiteren Ebene künstlerisch darstellen können, sei bewiesen worden, so Mäckle. Vielleicht könne man diese Ebene eines Tages bei einem Akustik-Jazz-Gig anwenden, wenn zwei Musiker sich gegenseitig mit Solos „duellieren“ und ihr Spiel und ihre Emotionen für den Zuschauer auf diese Art und Weise noch deutlicher werden.

Weitere zukünftige Anwendungsgebiete seiner Arbeit sieht Mäckle zumindest theoretisch im Sicherheitsbereich, gerade für Gehörlose, um auf Gefahren aufmerksam zu machen. Auch musikkulturell könnten Gehörlose von Mäckles System profitieren. „Wenn sie sich an ein gewisses Bild von der Kamera gewöhnt haben, kann das für taube Menschen wie eine Transformation von Musik sein, eine Übersetzung in etwas Visuelles.“

Micha Mäckle betont noch, dass die Darstellung eines komplexeren Instruments, wie z.B. eines Schlagzeugs, auf seine Art nicht möglich gewesen wäre. „Da hätten irgendwelche Reflektionen im Raum geleuchtet. Beziehungsweise hätte man eine bessere Rechnerleistung gebraucht.“

Die Raumsituation, deren ausführliche Bewertung ebenfalls in seine Arbeit einfloss, machte ihm zumindest keinen Strich durch die Rechnung. Der Besprechungsraum sei sehr groß und die Wände gedämmt gewesen, um Reflexionen zu minimieren und Meetings akustisch angenehmer zu gestalten. Der Forscher positionierte die Musiker demnach vor einer Wand. Somit entstanden möglichst wenige Reflexionen. Außerdem lag in Mäckles temporären „Labor“ Teppichboden aus, „was für mich optimal war, weil ein Teppichboden sehr wenig reflektiert.“

Er fügt noch hinzu, dass er es kaum verstehe, dass bei den meisten Menschen der Boden lediglich eine Geschmacksfrage sei und nicht, wie sich Böden akustisch auf Räume auswirken können. „Es gibt ja wirklich Leute, die ihre Wohnungsböden fliesen. Das ist grauenvoll. Egal was darauf passiert, das klingt grässlich hell, es schallt die ganze Zeit, weil der Boden eben die größte Fläche ist.“

Geht es also nach Micha Mäckle, soll das akustische Wesen eines Bodens möglichst leise klingen. In der Ruhe liegt die Kraft – das gilt insbesondere für einen guten Boden.

 

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